Endlich wieder Arbeit im Paradies

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  1. März – 22. April

Unser Reise nach Sint Maarten beginnt mit einem Paukenschlag: wir haben endlich einen Platz auf einem Regattaboot gefunden und können die Heineken Regatta mitsegeln. Die Freude darüber hält aber leider nicht allzu lange an – ist unser Skipper doch bereits 80 Jahre alt und entsprechend eingeschränkt fit. Die Crew ist auch relativ zusammengewürfelt. Wir machen noch am selben Nachmittag einen Probeschlag um wenigstens etwas zu trainieren. Das Ergebnis ist nicht gerade ermutigend und so sehen wir dem nächsten Tag mit gemischten Gefühlen entgegen.

Das Chaos setzt sich am nächsten Tag bei der Regatta fort und wir verdanken es nur der mangelnden Performance der anderen Boote, dass wir nicht komplett untergehen. Am Ende liegen wir nach 3 Rennen immerhin noch auf Platz 4. Allerdings hat der Skipper im Laufe der Rennen ganze 3 Patenthalsen hingelegt und einmal hat der Baum nur knapp den Kopf eines Crewmitglieds verfehlt. Für uns zuviel und so verabschieden wir uns nach dem Rennen wieder und lassen die nächsten 3 Renntage sausen. Immerhin bleibt uns aber der Spaß der Regatta-Parties und wir knüpfen wieder mal richtig viele neue Kontakte.

Die Siegerehrung der Crew der Cricket. Wir waren zwar leider nur den ersten Tag dabei, fühlen uns aber ein Stück weit „mitverantwortlich“ für den 2. Platz am Ende der Regatta.

Ein paar Tage später kommt Linda mit Ihrer Crew in Sint Maarten an. Nachdem diese von Bord gegangen ist, treffen wir uns um ein paar letzte Details zu besprechen. 4 Tage später fliegt sie zurück nach Stockholm und Martin und ich ziehen auf das Schiff um. Das Leben auf einem Schiff unterscheidet sich fundamental vom Leben in einem Hostel. Zum Einen ist der Platz natürlich wesentlich eingeschränkter und auch die sanitären Einrichtungen sind nur bedingt vergleichbar. Dafür sind wir aber endlich wieder auf dem Wasser und genießen das leichte Schaukeln des Schiffes in den Wellen der Lagune. Für mich ist das auch die Gelegenheit, mich noch einmal intensiv mit dem Schiff vertraut zu machen. Und natürlich wird das ganze Schiff einem gründlichen Check unterzogen. Der endet mit einer ganzen Reihe von Wartungsarbeiten am Rigg, den Winschen und den Leinen.

Links die ausgebauten Teile einer Winsch. Die Zahnräder und Lager werden sorgfältig gereinigt und danach wieder gefettet. Rechts der Austausch eines verbogenen Bolzen am Mastfuß.

Natürlich nutzen wir jetzt auch das Dinghi um uns den einen oder anderen Weg um die Lagune herum zu sparen. Da letztere ziemlich groß ist und wir täglich Wind bis zu 7 Bft in Böen haben, sind manche Wege ziemlich lang und wegen der Wellen auch ganz schön naß. Trotzdem ist es ein cooles Gefühl, morgens mit dem Dinghi zum Fischmarkt zu fahren und fangfrischen Fisch für das Abendessen zu kaufen.

Eines morgens wird es dann plötzlich wieder spannend: eine amerikanische Familie sucht 1-2 Crew für eine Non-stop Fahrt von Antigua nach den Bahamas. Das sind ungefähr 1.000 sm und entspricht mit deren Trimaran (einer Neel 51) ca. 5-6 Tage. Wir bewerben uns natürlich sofort und bekommen nach einem kurzen Videocall auch tatsächlich den Job. Die Freude ist groß, hat aber wie halt immer nur eine kurze Halbwertszeit. Schon 3 Tage später informiert uns Brad – unser Auftraggeber, Skipper und Familienoberhaupt, dass sein Watermaker nicht funktioniert und er diesen zuerst reparieren muss. Damit fällt der Törn direkt ins Wasser. Zum Glück für uns ist aber Sint Maarten The Place To Be wenn es um Reparaturen am Watermaker geht. Und so machen wir einen Deal, ihm das Gerät gegen Entgelt zu reparieren. Das wird am Ende eine schnelle und lukrative Angelgenheit und bringt immerhin Abwechslung in unseren Alltag. Ein Highlight unseres Alltags ist der regelmäßige Besuch im Lagoonies. Dabei handelt es sich um eine Kneipe direkt am Wasser, die, wie könnte es auch anders sein, auch mit dem Dinghi erreichbar ist. Über diesen Weg kommen auch die meisten Gäste, da das Lagoonies praktisch ausschliesslich von Yachties besucht wird. Abends wird meistens Live Musik geboten wobei die Band sich praktisch immer aus denselben 6 Leuten in wechselnder Besetzung rekrutiert. Die Musik ist jedenfalls Bestens und wir treffen auch eine Reihe von Bekannten wieder. Und natürlich schließt man automatisch auch Bekanntschaft mit den Leuten hinter der Bar. Eine davon – Chloe – ist ein interessanter Fall. Chloe kommt ursprünglich aus Frankreich, lebte einige Jahre in Berlin und ist seit zwei Jahren in Sint Maarten „gestrandet“. Sie hat großes Interesse an Kunst und kann mir tatsächlich noch einige Tips für gute Locations in Berlin geben. Sie arbeitet Vollzeit im Lagoonies und studiert nebenbei noch internationales Projektmanagement im Hauptstudium. In der Freizeit frönt sie Ihrem Hobby – der digitalen Kunst. Für meinen Geschmack äußerst erfolgreich aber seht selbst:

Abgesehen von unseren Wartungsarbeiten plätschern die Tage so vor sich hin. Martin hat ab Anfang April einen Job – zwei deutsche Ehepaare haben ein Schiff mit ihm als Skipper gebucht. Er macht sich sehr viel Mühe mit der Ausarbeitung von Routenvorschlägen rund um Sint Maarten, Anguilla und St. Barth. Leider – so viel sei hier schon vorweggenommen – ist der Vater der einen Familie eine ziemlich Katastrophe. Und so wird aus dem eigentlich traumhaften Törn eine relative Katastrophe.
Anfang April bekomme ich dann überraschenderweise auch noch einmal einen lukrativen Auftrag. Ein älteres amerikanisches Ehepaar ist mit Ihrer Motoryacht – einer Carver 406 – auf den Turks und Caicos Inseln quasi gestrandet, nachdem sich Ihr Bekannter und Navigator kurzfristig verabschiedet hat. Sie suchen daher einen Skipper für die restliche Strecke bis zu den US Virgin Islands – Voilá. Und so sitze ich am Gründonnerstag schon wieder im Flieger und treffe nach einem Stop auf der Dominikanischen Republik am Freitag auf Provenciales ein. Die Turks und Caicos sind eine Gruppe von 40 Inseln. Sie sind britisches Überseegebiet und mit 45 Tsd Einwohnern besiedelt.

Optisch sind sie äusserst flach und entsprechen wieder einmal perfekt meiner Vorstellung vom karibischen Paradies.

Karibik pur – die Turks and Caicos Inseln sind ein echter Traum

Cherie und Jimmy – meine Kunden – holen mich vom Flughafen ab. Sie sind beide super nett und überaus dankbar, dass Ihnen jemand aus Ihrer Misere hilft. Wir gehen erst einmal auf das Schiff und können uns ein kühles Bud Light. Dann müssen beide erst einmal ihhren Frust über meinen Vorgänger als Captain loswerden. Leider hat er nicht nur die beiden komplett verärgert sondern auch einige Schäden am Schiff verursacht. Und so haben wir statt der zwei Maschinen nur eine zur Verfügung. Schade, ansonsten hätten wir zumindest auf dem ersten Teilstück einmal so richtig den Hebel auf den Tisch legen können.

Die Carver 406 ist eine Motoryacht mit 2 x 375 PS und eine theoretischen Höchstgeschwindigkeit von 25 Knoten. Aufgrund eines Schadens an einer der Propeller der „Journey“ können wir jedoch nur eine der beiden Maschinen nutzen und kommen so auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von lediglich 8 Knoten.

Der nächste Tag vergeht mit der Proviantierung, einer intensiven Inspektion des Schiffes und insbesondere der beiden Maschinen und mit einer Planung der Route. Insgesamt beläuft sich die Strecke auf ca. 600 sm und leider werden wir den größten Teil gegen Wind und Welle fahren – mit einem Motorboot ein fürchterliches Geschaukel. Am darauffolgenden Tag klarieren wir in aller Frühe aus und warten dann noch auf einen freien Platz an der Tankstelle. Nachdem der Diesel an Bord ist geht es dann auch sofort los und wir fahren bei herrlichem Wetter aus der riesigen Bucht von Provencial. Riesig ist hier sprichwörtlich zu verstehen, da sich südlich von Provencial ein wunderbares türkisfarbenes Plateau von 20 x 60 sm Ausdehnung befindet, welches konstant 3 m Wassertiefe aufweist. Am Ende des Plateaus fällt der Meeresboden dann rapide ab und 300 m weiter haben wir bereits 1000 m Wassertiefe unterm Schiff. Da wir wegen des Ausfalls der Backbordmaschine nur verhalten fahren können, brauchen wir für die erste Teilstrecke zur Dominikanischen Republik 16 Stunden. Und so kommen wir morgens um 8 Uhr müde aber glücklich in der Ocean World Marina an.

Die Marina ist super schön und modern und man fühlt sich vom ersten Augenblick an wohl. Das Einklarieren verbinden wir mit dem Tanken und 2 Stunden später liegen wir mit vollen Tanks und um ein kleines Bakschisch für die Küstenwache erleichtert an unserem Steg. Da ich die meiste Zeit der Nacht über die Wache hatte, lege ich mich nach der Dusche erst einmal aufs Ohr. Am Nachmittag unternehme ich dann noch einen Spaziergang in den nahegelegenen Ort Cofresi und treffe dort in einer kleinen Strandbar wieder auf Cherie und Jimmy. Das Bier schmeckt auch hier und so bleiben wir bis kurz vor Sonnenuntergang sitzen, bevor wir feuchtfröhlich den Rückweg antreten.

Am nächsten Morgen geht es dann nach dem Frühstück weiter zu unserer zweiten und längsten Etappe. Während eine flache See in den ersten Stunden noch für eine entspannte Fahrt sorgt, wird es im Laufe des Tages zunehmend windiger und die See damit rauher. Und da wir komplett gegen die Wellen anfahren, entwickelt sich die Fahrt zu einem üblen Geschaukel bis wir nach 30 Stunden endlich in Puerto Rico in der Marina Puerto Real festmachen. Hier gibt es dann auch gleich eine handfeste Überraschung: Puerto Rico ist amerikanisches Hoheitsgebiet und damit gelten hier die gleichen Einreiseregeln wie in den USA. Nach unserer Anmeldung über die App der US Grenzbehörden werden wir darüber informiert, dass mein ESTA Visa für eine Einreise mit einem privaten Schiff keine Gültigkeit besitzt. Ich bin also quasi illegal eingereist. Nach 2 Stunden telefonieren werden wir für den Folgetag in ein Büro der Border Control gebeten, damit man mir dort für 585 $ einen sogenannten Waiver ausstellt. Leider ist das Büro ca. 20 Stunden entfernt und das lokale Taxiunternehmen will dafür 150 $ pro Hin- und Rückfahrt haben. Das ist uns dann endgültig zu viel und so beschließen wir, diese Einreiseformalitäten auf den US Virgin Islands hinter uns zu bringen. Nicht die beste Entscheidung wie sich im Nachhinein herausstellt oder wie Jimmy es später formulieren wird: never mess with the authorities. Das Ganze erst einmal verdrängend legen wir am nächsten Tag gegen Mittag ab und machen uns auf zur letzten Etappe in den zukünftigen Heimathafen der Journey in St. Croix. St. Croix ist eine typisch amerikanische Insel mit überdurchschnittlicher Infrastruktur. In unserem Hafen – der Green Cay Marina – treffen wir neben eine Reihe sehr netter Leute auch eine ausgeprägte Population von Iguanas. Einer ist ein regelrechter Methusalem. Er ist sehr zutraulich und lässt sich sogar füttern.

Mit Cherie und Jimmy in einer Strandbar ganz in der Nähe unserer Marina.

Ich genieße noch zwei Tage den Aufenthalt mit Cherie und Jimmy und lerne die Insel ein wenig kennen. Dann kommt der Tag meines Rückfluges und um 5:30 morgens stehe ich im Flughafen an der Immigration. Da ist dann aber leider erst einmal Endstation. Die dortigen Behörden haben unsere Aktion in Puerto Rico in ihren Computern und sind „not amused“. Ich werde erst einmal in Custody genommen und dann beschäftigt sich der komplette Stab der Border Control mit meinem Fall. Nach 6 ½ Stunden und um 585 USD ärmer komme ich schließlich wieder frei und werde auf denselben Flug am nächsten Tag umgebucht. Ich rufe erst einmal bei Cherie und Jimmy an und sie bieten mir an, noch eine weitere Nacht auf Ihrem Schiff zu übernachten. Was am Morgen mit einem totalen Ärgernis begann endet am Schluß mit einem super netten Abend im Ziggy’s. Das Ziggy’s ist eine altmodische amerikanische Tankstelle an einer Landstrasse. Zur Tankstelle gehört eine Bar mit Barbecue und eine Bühne für Livemusik. Dort trifft sich regelmäßig eine Community amerikanischer Rentner um sich mit Bier abzufüllen und Party zu machen. An unserem Abend tritt eine Rock `n Roll Band mit wechselnder Besetzung auf.

Der Rückflug am nächsten Tag klappt dann zum Glück problemlos und so lande ich um 15 Uhr wieder in Sint Maarten. Das ist gerade dnoch rechtzeitig, da ich für den Abend ein Treffen von Yachties organisiert habe, die alle in den nächsten Wochen über den Atlantik wollen. Der Zuspruch war groß und wir diskutieren bei Bier, Wein und Rumpunsch in fröhlicher Runde unsere Pläne für die Überquerung.

Das Treffen im Lagoonies – einer Hafenbar die hauptsächlich von Yachties frequentiert wird – wird zum vollen Erfolg und gleichzeitig der Start einer laufend größer  werdenden WhatsApp Gruppe von Atlantik Crossern. Bemerkenswert war vor allem der Besuch von Francesco – im Bild vorne – da er noch am selben Abend tatsächlich aufbricht. Sein nächstes Ziel werden die Bermudas, die wir bei unserem Törn auch als Zwischenstation anlaufen werden.

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Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Jan

    Ich sehe schon Stefan, feiern geht schon wieder weiter … Perfetto !

  2. Nicole

    Hi Stivi, habe gespannt deinen Bericht gelesen, wow!
    Freu mich mit dir trotz aller Up- and Down’s
    Die digitalen Kunstwerke der Künstlerin Chloe interessant
    Lebensfreude pur ist in den meisten Gesichtern der Yachties zu sehen
    Grüße ins karibische Paradies von Nicole

    1. Stefan Ley

      Vielen lieben Dank und viele Grüße zurück 🙂

  3. Tulca Ertüzün

    Sehr spannend zu lesen…,👍🏿😅👋

Kommentare sind geschlossen.