Die Azoren

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Die Insel Flores – Südküste

Samstag 3. Juni 1400 Bordzeit       Laget, Flores. 39° 23‘ N / 31° 10‘ W Nach unser 19-tägigen Odysee laufen wir heute in Porto Laget von Flores ein. Zum Glück weht nur ein schwacher Wind, der uns das Anlegemanöver erleichtert, da wir mit unserer Maschine praktisch nicht manövrierfähig sind. Der Hafen von Laget ist eigentlich für Sportboote geschlossen, da Hurrikan Lorenzo vor 4 Jahren die Steganlagen völlig demoliert hat. Er lässt aber Segler an der Kaimauer in 2er und 3der Reihe festmachen. Wir bekommen einen Platz neben einem französischen Katamaran an einer Außenmole im Hafen. Da liegen wir zwar sowohl Wind als auch Welle ausgesetzt aber immerhin in einem Hafen. Der Dockmaster steht bereits auf dem Katamaran und nimmt unsere Leinen entgegen. Silke und Dick sind mit ihrer Elisha auch schon da und Dick hilf uns mit seinem Dinghy, zwei weitere Leinen und einen Heckanker auszubringen. Damit sind wir gut geschützt und können uns endlich beim Ankerbier entspannen.

Wir liegen in zweiter Reihe neben einem französischen Katamaran

Danach führt uns unser erster Weg in den Ort zum Supermarkt. Wir kaufen die notwendigsten Sachen ein und bringen sie zum Schiff. Im Supermarkt treffe ich auch auf einen Einheimischen in Uniform und erkundige mich nach dem Check-In und der Immigration. Er erklärt mir, dass der Hafen in Laget ja eigentlich geschlossen ist, und ich das auch in Horta erledigen kann. Bürokratie einmal von seiner schönen Seite 😊. Um 18 Uhr beginnt dann ein wunderschöner Abend. Auf dem Weg zur Dusche machen wir noch einen Abstecher zu einer Pierparty, die spontan organisiert wurde. Die Crews der 10 Segler, die hier an der Kaimauer liegen, haben auf der Pier eine kleinen Party organisiert. Wir lernen neue Leute kennen und bleiben länger als gedacht. Danach kommt endlich die lang ersehnte Dusche und gegen Ender derselben wird sogar das Wasser warm. Direkt im Hafen gibt es ein kleines sehr nettes Restaurant mit leckeren Tapas und Wein. Wir sitzten mit Silke und Dick zusammen und haben natürlich viel zu erzählen. Später gesellt sich mit Rodrigues noch ein Portugiese zu uns, der uns bereits auf den Bermudas aufgefallen war. Er ist einhand unterwegs und ebenfalls super nett. Der Abend zieht sich länger als gedacht uns so verpassen wir letztendlich die Beachparty im hafeneigenen Strand. Es war aber auch so ein wunderschöner erster Abend an Land.

Spontane Beachparty am Strand des Hafens von Laget

Sonntag 4. Juni Am nächsten Morgen liegen wir noch im Schlaf, als um 8:30 der Mechaniker kommt, den der Dockmaster für uns organisiert hat. Er hat seine Freundin dabei, die, wie sich später herausstellt, in dem kleinen Restaurant arbeitet. Sie fungiert als Dolmetscherin. 3 Stunden später ist unser Problem gelöst und die Maschine schnurrt wieder wie eine eins. Ein Teil der Benzinleitung war durch eine Schlauchschelle völlig demoliert gewesen. Dadurch wurde Luft in die Benzinleitung gezogen und die Benzinpumpe konnte nicht mehr den für den Dieselmotor notwendigen Druck aufbauen. Hätten wir einen Ersatzschlauch an Bord gehabt, hätten wir das Problem tatsächlich selbst beseitigen können. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Das defekte Stück der Kraftstoffleitung, welches uns so viele Probleme bereitet hat

Da für die nächsten Tage ein Sturm südöstlich von Horta aufzieht, sind wir hier zunächst noch einige Tage gebunden. Inzwischen erfahren wir auch von Tom, dass ihn das Krankenhaus noch nicht entlassen hat. Wir hatten ihn während der Fahrt auf hoher See wegen einer Entzündung im Bauchraum evakuiren müssen. Das Krankenhaus ist sich noch unsicher und machen laufend weitere Tests. Er hat inzwischen den ADAC kontaktiert. Sie werden ihn am Mittwoch nach Deutschland ausfliegen, und ihn in ein Krankenhaus in seiner Heimatstadt Mannheim bringen. Flores ist eine kleine – vom Tourismus unbeleckte Insel – mit einem sehr schönen ursprünglichen Charme. Den Rest des Tages verbringen wir daher damit, uns die nähere Umgebung etwas anzuschauen, das eine oder andere Glas Wein in unserer Hafentaverne zu trinken und uns mit den anderen Seglern auszutauschen. Besonders beeindruckt uns ein Deutscher namens Johannes. Er ist mit einem 18 Fuß Boot (5,9m !!!) alleine über den Atlantik gekommen. Das Ganze hat 34 Tage gedauert, da er noch nicht einmal einen Motor hat. Er ist noch vergleichsweise jung und sein Schiff trägt den Namen ¼ LIFE CRISIS. Was für eine tolle aber auch verrückte Leistung.

Mit einem 18 Fuss Schiff über den Atlantik…

Montag, 5. Juni

Wir finden so langsam in unseren normalen Rhythmus zurück und schlafen bis 10 Uhr wie die Murmeltiere. Danach gönnen wir uns ein Frühstück in einer kleinen Bar im Ort. Die Preise hier sind der Hammer. Im Gegensatz zu Karibik und den Bermudas ist hier alles sprichwörtlich spottbillig. Wir frühstücken ausgiebig und bezahlen am Ende für 4 Cappuchino, 2 Hotdogs und 2 Stück Süßgebäck ganze 10,5 €.

Dann beginnt ein arbeitsreicher Tag. Zunächst füllen wir unsere Vorräte wieder auf. Da der Weg zum Supermarkt zwar nicht lang aber steil ist, sind wir damit erst einmal beschäftigt. Danach beginnt ein großer Bootsputz und zum Schluß versuchen wir auch noch, unsere Wäsche zu waschen. Die Waschmaschine im Hafen ist aber belegt und so müssen wir diesen Teil auf den nächsten Tag verschieben.

Am Abend haben wir einen Tisch in einem guten Restaurant – dem Casa do Rei – reserviert. Der Inhaber ist ein Deutscher und das Essen sehr lecker und im Vergleich zu Deutschland wieder richtig günstig. Das Restaurant liegt am Rande des kleinen Ortes Laget. Was auf der Karte wie ein kurzer Spaziergang aussiehet, entpuppt sich als ein ordentlicher Fußmarsch von 45 Minuten. Wir haben übersehen, dass sich das Restaurant 250m über dem Meeresspiegel befindet. Wieder zurück im Hafen nehmen wir noch einen Absacker auf der Terasse der Hafentaverne und fallen dann müde und zufrieden ins Bett.

Dienstag 6. Juni Heute erwarten wir Nadine. Sie ist eine ehemalige Arbeitskollegin und auch Segelkameradin von Max und mir. Da sie erst am Nachmittag mit dem Flieger ankommen wird, macht sich Max auf zu einer Wandertour. Ich gehe noch einmal einkaufen. Im Supermarkt treffe ich unseren Mechaniker und seine Freundin. Sie hilft mir beim Kauf eines Putzmittels, da die Putzmittel an Bord alle völlig veraltet sind. Das Mittel das sie mir empfiehlt ist der Hammer und zum Ersten mal glänzt die Küchenplatte an Bord wieder in ihrem ursprünglichen Weiß. Danach kümmere ich mich um die Wäsche. Um 15 Uhr ist alles erledigt und 2 Stunden später trudelt Nadine ein. Wir sind mal wieder in unserer Taverne gelandet und genießen den Abend, bevor wir an Bord klettern. Klettern ist hier der richtige Ausdruck, da unser Katamarannachbar an einer hohen Kaimauer festgemacht hat. Da gibt es zwar eine Leiter aus Eisensprossen. Bei der fehlen aber erst einmal grundsätzlich jede zweite Sprosse. Von den verbliebenen ist die oberste intakt, die zweite fehlt und ist durch eine Leine ersetzt und die dritte ist schon total verbogen und hat definitiv nicht mehr das ewige Leben. Ist man glücklich unten angekommen, benötigt es nur noch einen Spagat auf den schwankenen Katamaran und schon hat man es geschafft.

Der Landgang wird zur sportlichen Übung

Mittwoch 7. Juni Das Tief südöstlich von den Azoren hat sich zum Glück etwas abgeschwächt und so können wir bereits heute nach Horta weiterfahren. Leider steht seit gestern eine ordentliche Welle in den Hafen und so wird unser Ablegemanöver nochmal etwas spannend. Es klappt aber alles bestens und als auch der Heckanker wieder an Bord ist, tuckern wir fröhlich aus dem Hafen. Silke und Dick sowie Rodrigues haben ebenfalls abgelegt und so können wir uns auf ein Wiedersehen in Horta freuen. Die Überfahrt beginnt mit frischem Wind und wir segeln bis in den Abend hinein, bevor wir die Maschine wieder zuschalten müssen, um am nächsten Tag noch bei Licht anzukommen. Kurz vor der Dunkelheit bekommen wir dann noch „Besuch“ von der Starling – einem Segelschiff, welches auch auf dem Weg nach Horta ist. Sie sind deutlich größer und auch schneller als wir unterwegs. Als sie näher kommen, funken sie uns an und schlagen vor, gegenseitig Bilder von uns zu machen. Vor uns natürlich eine Selbstverständlichkeit und so kommt es mitten auf dem Atlantik zu einer kleinen Fotosession.

Die Starling kommt vorbei für eine kleine Fotosession

Donnerstag 8. Juni Horta – Ziel meiner Träume. Im Morgengrauen taucht die Insel Faial am Horizont auf und wir erfreuen uns an den grünen Hügeln und den Vulkanbergen, während wir unserem Ziel Horta – einem Hafen an der südlichen Ostküste – entgegenfahren. Um 11 Uhr ist es dann soweit. Wir umrunden die Hafenmauer und sehen uns einer Armada von Seglern gegenüber, die die komplette Hafenbucht bevölkern.

Ankerlieger im überfüllten Hafen von Horta

Zum Glück sind am Morgen schon etliche Segler abgereist und so bekommen wir einen Platz in zweiter Reihe am Meldesteiger. Leider haben wir uns zu früh gefreut. Der Dockmaster erscheint und verscheucht uns auf einen Ankerplatz. Das bedeutet dann erst einmal Dinghi aufpumpen, bevor wir gegen 16 Uhr Land betreten. Normalerweise führt der erste Weg zur Immigration. Ich habe aber leider die Tasche mit den notwendigen Dokumenten an Bord vergessen. Daher planen wir kurzfristig um. Max und Nadine entscheiden sich für Duschen und stellen sich in die Schlange für eine – eiskalte – Dusche. Ich folge dem Rat von Rodrigues, den wir auf der Pier wiedertreffen und gehe stracks zu Peter’s Cafe Sport.

Das Cafe ist unter Seglern weltweit eine Institution. Ich habe vor etlichen Jahren zum Ersten mal davon gehört und träume seither davon, einmal dort einzukehren, nachdem ich über den Atlantik gesegelt bin. Somit wird heute ein großer Traum Wirklichkeit. Das Cafe wird in dritter Generation von einer Familie geführt und ist der Anlaufpunkt für alle Segler, die nach einer Atlantiküberquerung in Horta an Land gehen. Sie ist unglaublich urig und natürlich völlig überlaufen. Ich bekomme zum Glück einen Platz an einem der Tische drinnen und bin schon beim zweiten Glas Wein, als Max und Nadine von der Dusche kommen. Das Cafe Sport ist für seinen Gin Tonic berühmt und wer ihn einmal probier hat, weiß warum. Sie haben auch leckere Kleinigkeiten zu Essen und so bleiben wir bis weit in den Abend sitzen. Als wir das Peter’s Cafe Sport endlich verlassen, sehen wir am Ende des Hafens das Licht einer Veranstaltung. Dort angekommen, treffen wir auf ein kleines Livekonzert. Es sind noch ca. 200 Besucher da und von der Bühne kommt gute Musik. Wir beschließen sofort, zu bleiben und genießen bis in die späten Abendstunden das Konzert. Im Anschluß daran formiert sich eine Prozession hinter einer Gruppe von Meerjungfrauen, die für sich noch einmal eine kleine Gesangseinlage geben und anschließend in einer winzigen Hütte wild abfeiern. Das Ganze wirkt genauso zauberhaft wie skurril. Da die Hütte nur für 20 Leute Platz bietet und noch einige Gäste draußen warten, reißen wir uns schließlich los und kehren mit unserem Dinghi zurück zum Schiff.

Livekonzert im Hafen von Horta

Freitag, 9. Juni

Der Morgen beginnt bei mir erst einmal mit der überfälligen Dusche. Da wir noch Warmwasser an Bord haben, genieße ich die Dusche in vollen Zügen und bin wieder frisch und munter an Deck, als Nadine und Max aus Ihren Kojen kriechen. Beim Frühstück machen wir erst einmal eine Kalkulation der restlichen Reise. Sie ergibt, dass wir unseren ursprünglichen Plan – ein letzter Zwischenstopp in Madeira – nicht aufgeben müssen, wenn wir heute noch aufbrechen. Danach erledigen Max und Nadine den notwendigen Check-In während ich mich auf mache und Duncan – einen mit Linda über eine Ecke befreundeten Inhaber einer Schiffsservicefirma aufmache. Mit ihm bespreche ich unsere aktuelle Lage und komme mit einer Flasche Grottamar wieder heraus. Linda möchte, dass wir diese in den Tank kippen, da sie Bedenken hat, das er mit Bakterien verseucht ist. Ich kann der Logik zwar nicht ganz folgen aber warum auch nicht. Danach gibt es erst einmal einen Cappucchino in einem der kleinen Cafes der Stadt und danach statten wir dem Supermarkt im Hafen einen Besuch ab. Nachdem die Einkäufe an Bord sind, geht es zurück an Land und wieder ins Cafe Sport (wohin auch sonst). So klingt der Nachmittag gemütlich aus und nachdem ich noch eine Flasche Gin und eine Angelschnur gekauft habe, gehen wir um 18:30 Anker auf und begeben uns zur Tankstelle. Wir machen unsere Tanks voll und laufen dann mit den letzten Strahlen der Abendsonne aus. Es wird ein wunderschöner Anblick, wie Horta so langsam in der Dämmerung am Horizont verschwindet und unser nächster Schlag zum 650 sm entfernten Madeira beginnt. Ein bisschen Wehmut bleibt leider, da wir es nicht geschafft haben, uns mit einem Bild auf der berühmten Pier von Horta zu verewigen, wie es die meisten Segler hier tun.